WAS ICH DENKE

LIEBE, HALT UND ORIENTIERUNG

Ich vertrete in meinen Seminaren und Inhouse - Seminaren drei Grundaussagen:

1. Kinder zeigen wie auf einem Foto, was wir leben.

Nehmen wir die gleiche Schulklasse, werden wir feststellen, dass ein Lehrer ein großes Problem damit hat, sich durchzusetzen, während ein anderer bei den gleichen Schülern seinen Unterrichtsstoff ohne Störungen vermitteln kann.


2. Ein Verhalten kann ein Kind nur zeigen, wenn es den Raum dazu hat.
Ein Kind kann nur dann Grenzen überschreiten, wenn es gelassen wird.

3. Wenn unsere Kinder heute an irgendetwas „erkranken“, dann an der Unsicherheit ihrer Eltern bzw. an der Unsicherheit unserer Gesellschaft hinsichtlich dessen, was wichtig ist und worauf es ankommt.


Um sich gesund entwickeln zu können
benötigt ein Kind Liebe, Halt und Orientierung.
Ich spreche in meinen Seminaren nicht von den „zunehmenden Kinderkrankheiten“, sondern behaupte, dass, wenn unsere Kinder heute an irgendetwas „erkranken“, dann an der Unsicherheit ihrer Eltern bzw. an der Unsicherheit unserer Gesellschaft (einer falsch verstandenen Partizipation) hinsichtlich dessen, was wichtig ist, worauf es ankommt und was ein Kind benötigt, um sich gesund zu entwickeln.
Aktuell werden die Kinder zunehmend mit Fragen überfordert: „Willst du am Wochenende an den Rhein oder an die Mosel fahren und was können wir noch für dich tun, damit es dir besser geht?“
Zum einen ist es für Eltern oftmals eine große Herausforderung, ihr Kind an seinen eigenen Krisen wachsen zu lassen, zum anderen haben immer mehr Eltern Schwierigkeiten damit, ihrem Kind als Erwachsene zu begegnen und ihr Kind mit gutem Gefühl, freundlich, bestimmt und gelassen an Grenzen zu sättigen.
Erziehen können wir ein Kind eben nur dann, wenn wir nicht mit dem Kind auf einer Ebene stehen. Eltern wissen oft nicht, dass sie dem Kind mit jeder gesetzten Grenze ein Stück Halt und Sicherheit geben und die Eltern–Kind–Beziehung sich nicht verschlechtert, sondern daran wächst. Im Resultat wird das Kind ruhiger und fröhlicher und wir nehmen es dem Kind ab, weiter nach Grenzen „fragen“ zu müssen und in der Folge anhaltend reglementiert zu werden. Vor diesem Hintergrund sage ich auch zu den Fachleuten in meinen Seminaren: „Die Kinder, welche sich am meisten auf Sie freuen, sind jene, welche Sie am meisten herausfordern“.

Mit jeder gesetzten Grenze
geben wir dem Kind ein Stück Halt, Sicherheit und Orientierung mit auf den Weg
und erhalten in der Konsequenz einen Zuwachs an Beziehung.
Wir haben aktuell ein wachsendes gesellschaftliches Problem: Ein Kind, welches am Morgen verbal oder körperlich die Grenzen der Eltern überschreitet, geht mit herabgesetzter Hemmschwelle in die Welt und macht genau das an anderer Stelle (Kindergarten, Schule) wieder. Halten wir eine Lupe darauf, ist dieses „im Kleinen“ gelebte Verhalten jenes, welches „im Großen“ gesellschaftliche Gewalt bedeuten kann (Grenzen überschreiten). Ein Kind, welches von zu Hause aus „satt“ an liebevollen Grenzen ist, wird in der Schule nicht über Tische und Bänke springen.
Die Zunahme an Verhaltensauffälligkeiten und, damit verbunden, die Zunahme an oftmals überflüssigen Diagnosen, führe ich auf den Sachverhalt zurück, dass der Raum, den Kinder haben (im konkreten und übertragenen Sinne) in den vergangenen Jahren angewachsen ist. Unsere Kinder von heute müssen sehr weit gehen, um eine Grenze zu erhalten. War es vor vielen Jahren das Allerschlimmste, wenn ein Kind die Bananenschale nicht in den Mülleimer, sondern daneben geworfen hat, werden heute Pädagogen mitunter getreten, bespuckt und verbal beleidigt.
Mir geht es darum, die Grundbedürfnisse eines Kindes zu befriedigen und ich spreche in diesem Zusammenhang von Liebe, Halt und Orientierung. Es geht immer darum, dem Kind zu signalisieren, dass es selbst in seiner Persönlichkeit in Ordnung ist, sein Verhalten an dieser Stelle jedoch nicht. Halt und Orientierung wird im Wesentlichen durch „Grenzen setzen“ vermittelt. Damit meine ich, das Kind ruhig, freundlich, gelassen und wertschätzend an Grenzen zu sättigen. Ein Kind, welches im pädagogischen Kontext die Grenzen eines Erwachsenen überschreitet, wird erst recht die Grenzen eines Gleichaltrigen oder jüngeren Kindes übergehen. Daraus resultiert, dass wir den Schutz der gesamten Gruppe nur gewährleisten können, wenn wir jedes Kind „halten“ können.
Erfolgreiches „Grenzen setzen“ hat zum Ziel, das Verhalten des Kindes nachhaltig positiv zu verändern. Dies hat zur Folge, dass weitere Reglementierungen überflüssig werden. Ich spreche von Kindern, welche in ihrem Erziehungsrahmen keinen Halt finden. Das heißt, dass diese Kinder nicht in sich ruhen, sondern „außer sich“ (unruhig und zappelig) sind. Es geht um Kinder, die beispielsweise nicht in der Lage sind, ein Puzzle zu Ende bringen, ohne gleichzeitig nach Grenzen zu suchen.

Das kindliche Bedürfnis danach, Grenzen zu erfahren, kann nicht „wegtherapiert“ werden, sondern muss befriedigt werden.